Kernfusion
Kernfusionsreaktoren und herkömmliche Kernkraftwerke werden oft in einem Atemzug genannt, aber es handelt sich um gänzlich unterschiedliche Technologien. Die bekannten Risiken der Kernkraftwerke weisen Fusionsreaktoren nicht auf. Eigentlich weisen sie nur ein wirkliches Problem auf: Sie funktionieren leider nicht! Trotz mittlerweile jahrzehntelanger Forschung ist kein brauchbarer Prototyp in Sicht.
Der physikalische Vorgang bei der Kernfusion
Bei einer Kernfusion verschmelzen leichte Atomkerne zu schwereren. Dass bei diesem Vorgang Energie freigesetzt wird, liegt an einer der merkwürdigsten Eigenschaft von Atomkernen, dem Massendefekt. Die Masse eines Atomkerns ist stets kleiner als die Summe der Massen der Teilchen, aus denen er besteht. Die Masse eines aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehenden Heliumkerns ist z.B. kleiner als die Masse dieser vier Teilchen. Die fehlende Masse ist in Bindungsenergie umgewandelt worden, die die Teilchen im Kern zusammenhält. E=mc2 macht’s möglich! Unterschiedliche Kerne weisen eine unterschiedliche Bindungsenergie pro Teilchen auf, diese Differenz soll bei der Umwandlung der Kerne durch Kernfusion genutzt werden.
Ein unglaubliches Phänomen!
Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei miteinander kollidierende Atomkerne fusionieren, ist unglaublich gering. Das liegt daran, dass alle Atomkerne elektrisch positiv geladen sind und sich daher gegenseitig abstoßen. Nur ein sehr unwahrscheinlicher quantenphysikalischer Prozess namens „Tunneleffekt“ ermöglicht es ihnen überhaupt, einander nahe genug zu kommen. Selbst wenn zwei Kerne frontal aufeinander stoßen, kommt es beispielsweise im Sonneninneren nur bei einem von einer Billiarde Stößen zu einer Fusion! Da nur wenige Stöße zentral erfolgen, ist die Fusionsquote bezogen auf alle Stöße noch erheblich geringer. Dass die Sonne ihren immensen Energiebedarf dennoch auf diese Weise decken kann, liegt an der extremen Dichte im Inneren, die etwa 150.000 kg pro Kubikmeter beträgt. Bei einer derart hohen Dichte finden so viel Stöße der Teilchen untereinander statt, dass die gesamte Fusionsleistung trotzt der geringen Fusionswahrscheinlichkeit pro Stoß ausreicht.
Wir soll das auf der Erde funktionieren?
Damit ein Fusionsreaktor mehr Energie erzeugt als verbraucht, muss es auch dort zu einer ausreichenden Zahl von Fusionsprozessen kommen. Diese hängt von der Dichte und der mittleren Geschwindigkeit der Teilchen ab, also von der Temperatur. Da natürlich keine Chance besteht, das Problem wie die Sonne über eine extrem hohe Dichte zu lösen, verfolgen Fusionsreaktoren eine atemberaubende Idee: Das Plasma muss heißer sein als im Kern der Sonne. Keine ganz einfache Aufgabe, denn dort beträgt die Temperatur immerhin rund 15 Mio. Grad. Trotzdem, es funktioniert! Forschungsreaktoren erreichen Temperaturen von etwa 200 Mio. Grad, und das ist wegen der geringen Teilchendichte noch nicht einmal allzu gefährlich. Der Grund besteht darin, dass die Temperatur nur aussagt, wie viel Energie pro Teilchen ein Körper oder ein Gas aufweist. Weist ein Gas beispielsweise eine tausendmal höhere Dichte als ein anderes auf, so ist die Temperatur beider Gase dennoch gleich hoch, wenn die Energie pro Teilchen gleich hoch ist. Die Wärmeenergie des dichteren Gases ist jedoch um den Faktor 1000 höher.
Fusionsreaktoren
Das Problem solch heißer Plasmen besteht darin, dass sie nicht einfach in einen Behälter eingeschlossen werden können. Stattdessen erfolgt der Einschluss in einem Magnetfeld. Die Reaktoren weisen die Form eines Torus auf, also die eines Donuts. Der Ring wird dabei in ein Magnetfeld eingewickelt. Dabei werden zwei unterschiedliche Konzepte verfolgt. In einen Stellerator wird das Magnetfeld vollständig durch Magnetspulen erzeugt, während in einem Tokamak im Plasma ein Strom fließt, der selbst einen Teil des einschließenden Magnetfelds erzeugt. Ein stabiler Betrieb von Fusionsreaktoren gelingt bis heute nicht. In den Fusionsplasmen laufen zahlreiche Instabilitätsprozesse ab, die dazu führen, dass das Plasma aus seinem magnetischen Käfig ausbricht. Um es noch einmal zu sagen: Gefährlich für die Umgebung sind diese Experimente deswegen nicht, dafür ist die Teilchendichte zu gering. Sie liefern nur keine befriedigenden Ergebnisse.
Fusion als Option für die Zukunft?
In den 70er Jahren wurde prognostiziert, dass es etwa 50 Jahre dauern würde, bis ein funktionsfähiger Reaktor zur Verfügung steht. Das wird sich keinesfalls bewahrheiten, heutige Prognosen lauten immer noch „in fünfzig Jahren“. Ob es tatsächlich funktioniert oder nicht, ist angesichts dessen fast egal. Bis dahin muss die Energieversorgung – vorzugsweise mittels alternativer Energien – anderweitig gesichert sein. Wenn der Fusionsreaktor tatsächlich kommen sollte, kommt er zu spät!